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Wortefetzen

Ich sitze im Café. Wie jeden Morgen. Außer sonntags. Nicht etwa dass ich an diesem Tag länger schlafe. Nein, das Café hat dann geschlossen. Ich schlafe nie länger. Auch wenn ich könnte. Bin ja ein Rentner. Einer der nicht mehr zur Arbeit gehen muss. Sich noch knapp den Morgentrunk, einen Cappuccino samt einem frischen, noch lauwarmen, buttertriefenden Croissant leisten kann. Zum Schein lese ich stets die Gratiszeitung die ich an der Straßenecke aus dem Kasten nehme, um besser zu hören was am Nebentisch gesprochen wird. Mein vergangener Beruf als Polizeikommissar, nicht dass ich diesem nachtrauere, es war dabei eindeutig zu anstrengend all die Zweideutigkeiten täglich anzuhören, färbt auch meinen dritten Lebensabschnitt, ich kann es einfach nicht lassen zu Lauschen. Zu Belauschen. Mitzuhören was an Nebentischen für Sinn und Unsinn ausgetauscht wird. Nachterlebnisse. Berichte über Träume. Schlechte Schulnoten des Nachwuchses. Ungebetene Schwiegertöchter in Spe. Schnäppchenjagd-Austausch und was der Inhalt der alltäglichen Gespräche so erfüllt.

Jeden Morgen hoffe ich auf den großen Fang. Hoffe einem Verbrechen auf die Spur zu kommen. Meine ehemaligen Kolleginnen und Kollegen damit zu beeindrucken. Ähnlich einem Zapfenfischer der täglich am schmutzigen städtischen Rinnsals darauf hofft einen Hai an die Angel zu bekommen. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Auch bei mir. So lausche ich auch heute früh, Zeitungslektüre imitierend auf die erlösenden Worte. Und tatsächlich unterhalten sich zwei eher ungepflegt wirkende junge Männer am Nebentisch, Kaffee laut schlürfend, über das große Ding, dass sie heute drehen wollen. Wortefetzen wollen sie. Oder habe ich mich verhört, nur Wortfetzen mitbekommen? Nein, das Wort Wortefetzen fällt mehrmals, prallt an mein gespitztes linkes Fahnderohr. Glückstag! Mein Herz schlägt schneller. Der Blutdruck steigt. Wortefetzen? Was haben die Kerle vor? Ich beschließe ihnen unbemerkt, weiter in der Zeitung lesend, zu folgen wenn das Stühlerücken mir signalisieren wird, dass Aufbruch immanent bevorsteht. Einen Ruck der Angelrute und der Hai wird an der Angel hängen. Ich muss dann nur Meldung erstatten. Selbst habe ich nicht das Recht Verhaftungstätig zu werden.

Wortefetzen? Was soll das? Was wird geplant? Ist der Ausdruck ein Codewort. Banküberfall bei dem die Fetzen fliegen? Kugeln durch die Luft sirren werden? Prophylaktisch bezahle ich meine Zeche. Stühle rücken! Sie stehen auf. Ich auch. Legen gleich ein Tempo vor dem zu folgen ich Mühe habe. Das Alter. Die Beine. Die Lunge! Doch ich schaffe es. Überquere die Straße. Kann bei der Geschwindigkeit meine Zeitungslesetarnung nicht aufrechterhalten. Werfe diese zu Boden. Sehe dabei wie Wortfetzen fliegen und die Kerle in eine Straßenbahn hüpfen, die ich nicht mehr erreichen kann. Tröste mich damit, dass ich bestimmt morgen früh alles unter der Rubrik Unglücksfälle und Verbrechen in der Zeitung lesen werde. Oder auf der Titelseite, dass ein Rentner, am städtischen Rinnsal angelnd, einen Hai an Land gezogen hat ...




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