kostenlose Kurzgeschichte der Woche

Pokerface

Wir nannten ihn alle ‚Pokerface‘. Unseren Chef. Der Boss. Der Allesentscheider, bei dem keiner wusste was er dachte. Selbst bei den besten Vorschlägen entmutigte er uns indem er keine Miene verzog. Einzig sein kleines Kopfnicken zeigte an, dass er die Idee aufgenommen hatte. Ein Urteil darüber konnte jedoch nie abgelesen werden. Kein Mundwinkelverzug erfolgte. Kein Augenzwinkern oder Brauenbeben. Nicht einmal ein Geothermisches das ja keine Schäden verursachen konnte. Dass er dann die Brauchbaren als die Seinen weitergab wussten wir alle. Wohl auch mit dem Pokerface. Nie erhielten wir Rückmeldungen. Einzig wenn dann eine Umsetzung uns um die Ohren flatterte konnten wir eine leise Genugtuung erleben. Nicht pekuniär. Nein, nur ideell. Aber immerhin. Bezahlt und angestellt waren wir in der Denkfabrik. Unsere Aufgabe ist nichts anderes als Ideen zu erzeugen.

Also ein Zeugungsvorgang der anschliessend von Geburtswehen gefolgt wird, die aber nicht unser Problem, nicht unsere Aufgabe war. Das spielte sich in anderen Abteilungen ab. Immerhin ist unser Unternehmen weltberühmt! Aufträge und Anfragen schneien aus dem gesamten Globus in unsere Büros. Schmelzen dann in der Hitze unserer Hirnanstrengungen. Werden vorerst zu Wasser. Verdampfen dann. Wechseln in den Dunstzustand um dann als Umsetzungs-Praxis das Licht der Geschäftswelt, selbst der Politik zu erblicken. Die Um-, Nach-, Ober- und Unterwelt zu verändern. Zum Guten. Nicht zum Schlechten, dafür sorgt bestimmt Pokerface und seine Gemahlin, die einen substantiellen Einfluss auf ihn haben, selbst einmal ein Lächeln auf seinen wulstigen Lippen gesehen haben soll. Aber das ist nicht erwiesen. Ein Gerücht das in unserer Ideenfabrik herum schwadroniert ohne je den Boden der Realität zu erreichen.

Und heute, es ist ein sonniger Sommertag mit guter 40-grädiger Mittagsaussicht, tritt Pokerface unbewegten Gesichts vor uns, die zu dieser Sondersitzung aufgeboten wurden, räuspert sich und gibt den Auftrag in die Runde über Ideen und deren Abschaffung zu arbeiten. Diesen Auftrag habe er von einem Potentaten erhalten der hervorragend bei Kasse sei, einen bedeutenden Vorschuss bezahlt habe und die Herrschaft über den Globus zu erreichen wünsche. Es sei eine unermessliche Ehre, dass er auf unsere Denkfabrik gestossen sei und dieser den Auftrag exklusiv erteilte. Nun, wir sind vom Anblick beinahe vor Schrecken in einem Schockzustand, breitet sich ein breites Lächeln auf dem Gesicht unseres Bosses ab. Er strahlt wie ein verliebter Maikäfer, seine Mundwinkel bewegen sich, seine Stirn verfällt einem Sambakräuseln, er öffnet die Lippen und bemerkt mit Freude getränkter Stimme:
„Ich habe die Lösung bereits: Keine neuen Ideen, keine Innovationen die vom Ziel abbringen könnten:
IHR SEID ALLE MIT SOFORTIGER WIRKUNG ENTLASSEN …!”




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