Meine kostenlose Kurzgeschichte der Woche
An dieser Stelle präsentiere ich Ihnen im wöchentlichen Wechsel die (kostenlose) Kurzgeschichte der Woche, auch als Pdf-Download.
Im Archiv können Sie dann auch stöbern und "alte" Kurzgeschichten lesen und anhören.
Hier die aktuelle Kurzgeschichte der Woche (auch als Download Pdf >>) :
Der Passivist
Stolz war er auf seine Tätigkeit als Passivist. Bereits seit drei Jahrzehnten gehört er zu dieser eingeschworenen Gemeinschaft. Einer Gemeinschaft die sich klar und konturvoll von derjenigen der Aktivisten abgrenzt. Einen Gegenpol darstellt. Einen sehenswerten Gegenpol, der auf ein, in seinen Augen, viel zu geringes Medienecho stösst. Immer wieder legte er in der Vergangenheit in den Haupt- und Nebenversammlungen Wert auf dieses Thema. Da die Vereinsleitung sich weigerte den Tagungspunkt Medienarbeit als eigenständiges Traktandum aufzunehmen, meldete er sich Mal für Mal unter Verschiedenes zu Wort. Begann dort sein stets leicht abgewandeltes Votum. Sein ‚UND KARTHAGO MUSS ZERSTÖRT WERDEN‘, so nannten es seine Mitpassivisten hinter vorgehaltener Hand, verlangte eindringlich und vehement, die Passivisten hätten sich der Medienarbeit zu widmen, dieser gar eine eigene, wenn auch nur Teilzeitstelle zuzuordnen. Doch immer wurde ihm eine Abfuhr erteilt. Verständlicherweise, denn die Passivisten hätten um den Antrag zuzustimmen aktiv werden müssen. Ihrem heiligsten Glaubensgrundsatz, der in den Satzungen rot und fett verzeichnet war, abschwören müssen. Nach der Jahrelangen Absage-Tortur, so empfand es unser Passivist, beschloss er endlich einen Schlusstrich in der Angelegenheit zu ziehen.
Dazu boten sich ihm zwei schnurgerade Wege. Entweder wechselte er zu den Aktivisten, was seinem Leben eine scheussliche Niederlagenwende eingebracht hätte, oder er unternahm seinem ‚UND KARTHAGO MUSS ZERSTÖRT WERDEN‘ einer klaren Tatsachenumsetzung. Einen Angriff, der sein Credo in die Wirklichkeit umsetzen würde, wenn auch, darauf legte er bei seinen umstürzlerischen Überlegungen besonderen Wert, diese passiv zu erfolgen hätten, um seinem Lebensziel nicht untreu zu werden. Nächtelang lag er wach. Grübelte. Entwarf und verwarf. Wog in seiner virtuellen Hirnwaage, die immer wieder das Gleichgewicht suchte, Vor- und Nachteile. Kam zu keinem Schluss. Ja, bis er sich Justitia bildlich vorstellte. In seinem Inneren diese Figur auferstehen liess. Bemerkte, dass diese nicht sehend war. Verbundene Augen besass. Ohne Augenlicht zu ihren unumstösslichen Urteilen gelangt. Das musste auch bei der Lösung seines Problems gelingen. Wenn niemand sehend erkennen könne, dass die Passivisten aktiv würden, hätte er eine ‚carte blanche‘, freie Fahrt ohne jede Beschränkung, um endlich die Medien in der Richtung seiner und aller Passivisten Überzeugungen zu lenken.
Er rief also alle seine Gesinnungsfreunde auf endlich echt passiv zu werden. Alle Medien links, oder auch rechts liegen zu lassen, da dies einerseits viel bequemer sei und andererseits auch weit pekuniär günstiger sich gestalte und damit weit mehr Freiräume für andere Aktivitäten dadurch entstehen würden.
Trotz verbundenen Augen erkannte seine innere Justitia jedoch umgehend seine Nutzung des Ausdrucks, des Worts ‚AKTIVITÄTEN‘, und sandte ihn, den aktiven Passivisten, für den Rest seiner irdischen Zeit mit offenen Augen in die Schweigepflicht, dabei die Worte ‚UND KARTHAGO MUSS ZERSTÖRT WERDEN‘ in die tiefe Stille des wortreichen Grabes verbannend ...