kostenlose Kurzgeschichte der Woche

Meine kostenlose Kurzgeschichte der Woche

An dieser Stelle präsentiere ich Ihnen im wöchentlichen Wechsel die (kostenlose) Kurzgeschichte der Woche, auch als Pdf-Download.

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Hier die aktuelle Kurzgeschichte der Woche (auch als Download Pdf >>) :

Das Mahl

Das Lokal liegt in der Nähe des alten, nicht mehr in Betrieb stehenden Hauptfriedhofs. Bekannt für seine Schlachtplatte, zu der ganze Vereine zum Jahresschlussessen jährlich pilgern. Auch Aufsichtsräte renommierter internationaler Konzerne. Familien treffen sich zum Genuss und stärken dadurch ihre Bande.

Früher, als noch Live-Begräbnisse hier stattfanden, da waren Leichen-Schmause, Begräbnis-Mahle, bei denen der Alkohol als Seelentröster reichlich floss, eine berühmte Tradition des Lokals, die den Betroffenen half unmittelbar für Stunden die Tatsache der Endlichkeit zu vergessen. Dasselbe Ziel verfolgen die jetzigen Mahlgeniesserguppen. Einmal im Jahr alle Querelen hinter sich lassen. Vereinskämpfe in den Gegenwartsmüll entsorgen, Richtungskämpfe über Gesellschaftsziele dem Cashdrain überlassen. Ja, so führt das Wirte-Paar den Betrieb der Eltern weiter.

Doch einmal jährlich, stets nach den Weihnachtsfeiertagen bis zum Silvesterabend ist das Lokal geschlossen. Die Wirtin samt Eheanhang, Kindern und dem Personal nehmen ihre verdiente Jahresauszeit frei von Kundschaftsgemecker. Aus gutem Grunde. Denn dann wird das Lokal samt seiner Küche den Tieren überlassen, die im abgelaufenen Jahr zur Schlachtplatte verarbeitet worden sind.

Ist das ein Gewusel. Ein Gedränge. Ein Grunzen. Ein Gegacker. Ein Schreien. Eine Anklage der Geschlachteten. Muuuh und Määh füllen das Lokal. Gegenseitig klagen alle über das erlittene Leiden. Was für eine Welt sei das, in die sie alle gesetzt worden waren, um diese auf diese unsägliche Weise verlassen zu müssen!

Die Klage erklingt während dreier voller Tage und Nächte. Die Wände des Lokals beginnen darob zu zittern. Drohen gar einzustürzen. Das Linoleum des Bodens wellt sich aus Mitleid mit dem Schicksal der Geschlachteten. Doch da, in der dunklen zweitletzten Nacht des Jahres geschieht es jedes Jahr aufs Neue. Von der getäfelten Decke wächst dickes grünes Gras. Aus dem Boden spriesst Weizen. Von den Wänden fallen Maiskolben in wilder Zahl. Zuerst entsteht ein Schmatzen und lautes lustvolles Kauen. Ein tierisches Jubeln erfüllt die Räume. Die Schweine vergnügen sich mit den Kühen. Die Ochsen verlieben sich in Schafe. Die Böcke tanzen Samba. Aus Würsten auferstehen Herden von Schweinen, Kälbern, Geflügel. Herzen beginnen neu zu schlagen. Zungen sich zu bewegen. Ohren zu schlackern. Alle jubelnden Töne des Entzückens über den Genuss des gewährten kurzen neu entstandenen Lebens ertönt als auferstandene Ode an die Freude. Und jedes Jahr am Tag vor dem Silvester, bevor die Wirtsleute wiederkehren, beschliesst die Corona aller Tiere das angetane Leid der Menschheit durch die Erhöhung des Ausstosses von Pestilenz-Gasen zurückzuzahlen. Eines Kalendertages, so flüstern sich die Geschöpfe gegenseitig in die Ohren, werden wir überleben und unsere Peiniger endgültig besiegen.

In der Geisterstunde des 30. Dezember steht das Haus der Schlachtplatten im Zeichen der Hoffnung, die als letzte stirbt. Das Schwein versucht die geschmähte Kuh zu bezirzen. Der Gockel tanzt auf beiden Enden der leeren Wurst. Während das Schaf seine blökende Arie singt, in die alle Tiere im Chor mit dem Schlachtruf gegen jede Form der Schlachtplatten melodisch, fröhlich und siegesgewiss einstimmen.


Und als Bonus ein weiterer DREISATZROMAN aus meiner Feder:

K O P F T A N Z

Weshalb nur mit
Den Füssen tanzen
Besser mit dem Kopf
Dem Ganzen sichtbare
Löcher in die Lüfte stanzen.

Mit Denken statt
Den Füssen lenken 
Der Fantasie zahllose
Bewegliche Gelenke schenken.

So entsteht ein neues All
Ganz ohne Riesenknall.




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"Das Mahl" als Tondokument, vorgelesen von François Loeb:







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