Eine so herrliche Wanderung war das heute. Durch Feld und Wald. Begleitet von Amselgesängen und Spatzenchor. Knospenbrechern. Erstem Grün. Und ein Mandelbaum in voller Blüte. All das lässt Träume zu. Träume von Düften. Von blühenden Kirschbäumen. Waldmeister und Maiglöckchenweiss. Vorbei an erwachenden Bäumen, Felsen und Steinen die von einem lebendigen Sein nur träumen können und ihrem Ursprung nachzuspüren trachten. Über Stock und Stein ging der Weg. Da plötzlich fühle ich unter meiner Sohle mit dem hohen Profil, welches das Wandern in einem traumhaften Gang verwandelt, einen leichten Druck. Vorne links. Legte dem keine große Bedeutung zu. Ein Tannzapfenstück? Ein Stein? Sei es wie es sei. Wanderte weiter voll in den Frühlingsgenuss vertieft.
Zu Hause angekommen entschnüre ich die Bändel. Lege meine Schuhe an deren angestammten Platz. Höre ein leises Plopp. Schau auf den Teppich des Wohnungseingangs. Traue meinen Augen nicht. Ein kleiner Kristall liegt da. Glänzt. Funkelt. Da erinnere ich mich einer Sage die einst mein Großvater mir als Kind erzählte. Ein Märchen. Im dunklen Wald lebe ein Zwerg der es gut mit uns Menschen meine. Er verteile kleine Echtkristalle. Kristallstückchen. Spitz auf der einen Seite. Abgerundet auf der anderen. Und mit diesem edlen Stein könne der Finder in die Zukunft blicken. Nicht in eine Kristallkugel. Die sei ungenau. Nein, des Zwergs Kristalle seien zuverlässig. Liessen alles genauso erscheinen wie es dann einst kommen würde. Doch, so mein Großvater damals, ich vernehme seine Stimme in meinem Ohr, wer in die Zukunft schaue benötige viel Mut. Die bekannte Vergangenheit zu betrachten sei Tausendundein Mal angenehmer. Das könne er mir versichern. Er selbst habe das erlebt. Ein Kriställchen im Wald gefunden. Darin das grosse Glück meiner Geburt vorausgesehen. In diesem aber auch Kriege. Tragödien. Unfälle. Flugzeugabstürze und vieles wovon er mir nicht berichten wolle, ich sei ja noch ein Kind und würde mich darüber erschrecken, was er verhindern wolle.
Ich erinnere mich, dass ich ihn bat, ja, bettelte es mir doch zu berichten. Ich würde ihm mit meinem Ehrenwort versichern nicht zu erschrecken. Ich sei nicht schreckhaft. Nun im Hier und Jetzt stehe ich vor der Frage in den Kristall zu blicken, oder diesen wieder in den Wald zu tragen. Mut oder Unmut liegt das Problem kristallklar vor mir. Nun, Mut ist edler. So entscheide ich mich einen Blick zu werfen. Nehme das Kriställchen vor mein linkes Auge und erblicke …
Nein, ich will die Leserschaft nicht erschrecken. Auch wenn ihr mich bittet. Ja, bettelt. Doch findet ihr einst ein Kriställchen werdet ihr die Zukunft sehen, oder aber ihr erlebt diese selbst, betrachtet sie dann als Vergangenheit, was bedeutend einfacher ist als die Zukunft zu ergründen ...
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"Kristallklar" als Tondokument, vorgelesen von François Loeb:
Einige Kommentare zu dieser Kurzgeschichte:
Am 29. März 2021 schrieb ein anonymer Leser:
"Soooo schön. Vielen lieben Dank, dass Sie ihre Gedanken mit uns teilen und so wundervolle Geschichten und Sätze in die Welt bringen."
Am 26. März 2021 schrieb ein anderer anonymer Leser:
"Sehr geehrter Herr Loeb,
ich möchte Ihnen meinen herzlichsten Dank für Ihre Internetseite aussprechen.
Seit drei Jahren gebe Migrantenkindern Starthilfe im Umgang mit der deutschen Sprache.
Die größtenteils traditionellen Familien haben viele Kinder und dementsprechend wenig Geld für jedes einzelne. Es ist daher ausgesprochen schwierig, Übungsmaterial zu finden. Ihre Kurzgeschichten sind da eine Offenbarung für uns. Bei Ihnen haben schon Kinder und junge Erwachsene, die monatelang keinen Zugang zu unserer Sprache gefunden haben, Sprachwitz für sich entdeckt und eine ganze neue Freude am Lernen gefunden.
Ich danke Ihnen noch einmal von Herzen!
"
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Herzlichst Ihr François Loeb
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