kostenlose Kurzgeschichte der Woche

Meine kostenlose Kurzgeschichte der Woche

An dieser Stelle präsentiere ich Ihnen im wöchentlichen Wechsel die (kostenlose) Kurzgeschichte der Woche, auch als Pdf-Download.

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Hier die aktuelle Kurzgeschichte der Woche (auch als Download Pdf >>) :

Krähen

Jedes Individuum pflegt bestimmte Rituale. Eines, das ich besonders schätze, ist mein wöchentlicher Besuch auf dem Markt. Jeden Samstagmorgen mache ich mich zu Fuss auf den Weg zum grossen Wochenmarkt vor dem Münster meiner Heimatstadt. Unabhängig vom Wetter, sei es auch bei Frost und Schnee, obwohl das Angebot dann stark reduziert ist. Die zahlreichen Glühweinstände entschädigen jedoch in der Kälte auf angemessene Weise und machen den Heimweg zu einem beschwingten Spaziergang im Dreivierteltakt.

Im Mai scheint jedoch meist die Sonne. Der frühe Morgen ist dennoch kühl, und die Luft ist erfrischend prickelnd wohltuend. Die Vielfalt der Produkte, die von den Bauern angeboten wird, ist beeindruckend! Vom Spitzkohl über den säuerlichen Rhabarber, der sich nach Süsse sehnt, bis hin zum Spargel und den sieben Sorten Erdbeeren. Darob läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Da mein Rucksack nur begrenzten Platz für den langen und steilen Heimweg bietet, muss ich meine Einkäufe sorgfältig auswählen. Die Aufgabe, Dinge unten zu verstauen und dann das Matschverdächtige oben im Rucksack zu platzieren, gleicht einem kleinen Rätsel. Dank meiner regelmässigen Samstagsbesuche könnte ich aus einem olympischen Rucksackpack-Wettbewerb als bejubelter Gewinner hervorgehen. Auch das Geschick, die Beute richtig zu laden, um diese nach Hause zu tragen, wäre einer neuen Herausforderung würdig.

Heute fällt mir bei meinem Besuch am Nordende des Samstagsmarkts ein mittelgrosser, komplett in Schwarz gehaltener Marktstand auf. Sogar die Standbetreuung, bestehend aus einer Frau und einem Mann, trägt Trauerkleidung. Handelt es sich um eine Gedenkveranstaltung für eine verstorbene Berühmtheit? Gibt es ein Kondolenzbuch, das ausliegt? Das Interesse scheint riesengross zu sein, da sich zahllose Menschen um den ebenfalls in Schwarz gehaltenen Tisch drängen, der mit Krepppapier bedeckt ist.

Ich erkenne von Weitem Listen, die bereits mit schwarzen Stiften beschrieben sind. Jedenfalls ist meine unersättliche Neugier geweckt. Ich muss herausfinden, um wen dort getrauert wird.

Es ist beinahe unmöglich, dass ich bei meinem ausgeprägten Interesse an Nachrichten ein solches Trauerereignis bis zu dieser Stunde übersehen haben könnte.

Ich nähere mich dem Ort des Geschehens. Dadurch ist es durchaus möglich, dass ich die Gelegenheit verpasse, die besten verfügbaren Angebote auf dem Markt zu ergattern, da diese schnell ausverkauft sein werden.

Ich dränge mich vor. Endlich besteht auch für mich die Möglichkeit, einen Blick auf die ausgelegten Listen zu werfen. Dort ist in deutlichen Lettern zu lesen:

"PETITION ZUR VERGRÄMUNG VON KRÄHEN".

Kaum habe ich den Text gelesen und will mich eilig entfernen, spricht mich die Standbetreuung, die offensichtlich schwarzen Lippenstift aufgetragen hat mit krächzender Stimme an:

"Sicherlich stört auch Sie das unerträglich laute Krähen der Rabenvögel. Wir beabsichtigen, diese unerwünschten Tiere zu vertreiben. Mithilfe modernster Technologie. Wir möchten vorschreiben, dass Raben Glöckchen um den Hals tragen müssen, um sich in unserer Stadt aufhalten zu dürfen. Nur so sollen sie das Recht erhalten, sich in unserem Wohngebiet aufzuhalten. Dafür sprechen die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse, die belegen, dass sie sich dann glockenhell selbst vertreiben werden.
Nachdem Kühen das Tragen von Glocken aus Lärmgründen untersagt wurde, entsteht hier eine Lücke in der natürlichen Klanglandschaft, die wir gerechterweise nutzen wollen. Der Weg dorthin ist recht simpel. Wer keine Glocke trägt, wird abgeschoben.“

Als ich frage, wie die Glockenpflicht und die Installation dieser Abschreckmassnahmen umgesetzt werden sollen und ob das ständige Gebimmel nicht noch belästigender sein könnte als das Krähen, breitet die Standdame ihre Arme aus, die plötzlich zu Flügeln werden. Sie fliegt hoch, dreht zwei Runden über dem Münster, ruft laut "KIKERIKI", dann "MUUUHH", und verschwindet, eine Glocke fest im spitzen Schnabel haltend, rasend schnell ihre rabenschwarzen Flügel schwingend. Sie lässt lautstark „KLINGELINGELING“, das Läutwerk des Münsters, erklingen, während sie über die Dächer der Altstadt fliegt. Lässt mich dabei, meiner Neugier ratlos klanglos ausgeliefert, meine innere Stimme vernunftlos erklingen lassend, in einer künstlichen Stimmblase auf dem Münster Markt zurück ...


Und als Bonus ein weiterer DREISATZROMAN aus meiner Feder:

K R Ä H E N

Krähen krähen
Tönerne Tränen
Die fallen zu Boden
Ohne jede gläsernen Töne.

Klingende Scherben
Zerspringen
Blinkend
Hell.

Da ein Hund
Fliegt schnell
Und bellt.

Schwarze Katzen
Träumen Hundeleben
Zerstieben beim Blumen
Wiesen schmatzen siebenhundert eins
Mal und dreimal fünf aus der Wurzel sieben.




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"Krähen" als Tondokument, vorgelesen von François Loeb:







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