kostenlose Kurzgeschichte der Woche

Meine kostenlose Kurzgeschichte der Woche

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In die Pilze gehen

“Wann gehst Du wieder in die Pilze, haha“, wirft mir meine Freundin zu Füssen. Als nicht Deutsch-Muttersprachler wähne ich mich auf sicherem Boden, obwohl ich nach dem dreitägigen Dauerregen beim Pilzesammeln wohl einige Sumpfschuhe ernten werde. Erst als sie mich hämisch bei den leicht bösartig tönenden Vorwurfsworten anblickt und dabei Wutblitze aus ihren meeresblauen Augen versprüht, ahne ich noch nichts Dramatisches. Eile jedoch zu meinem Laptop, um den Begriff ‚in die Pilze gehen‘ einzugeben, um nach einer gefühlten Ewigkeit mit folgender Antwort konfrontiert zu werden: ‚HEIMLICH MIT DER GELIEBTEN IN DEN WALD ZUM SCHMUSEN GEHEN‘.
Meine Beinahegattin muss die gleiche Antwort blitzschnell im Netz gefunden haben, obwohl ich diese erst nach Stunden im Hinterzimmer des Light und nicht etwa des Dark Netzes entdeckt habe. Ha, denke ich, ‚in die Pilze gehen‘ ganz ohne jeden Hintergedanken, einfach um Pilze zu sammeln und diese dann ohne Magenverstimmung am heimischen Herd gemeinsam zu geniessen.

Na ja, die einzige Replik, die mir gleich an meine Freundin gerichtet einfällt, ist ein treffsicherer Wortwurf, der dann mit Überschallgeschwindigkeit über meine leicht trockene Zunge rollt: ‚Dann geh doch du das Nachtmahl sammeln‘, was sich meine Liebste nicht zweimal sagen lässt. Sie zieht ihren mit roten Punkten bedeckten Lieblingsregenmantel an und verschwindet, dabei flink in die Waldstiefel steigend, zur Wohnungstür hinaus.

Nach zwei vollen Stunden, in denen ich mich mit der Spielkonsole beschäftige, werde ich, da die Dämmerung mit einer ungewohnten Heftigkeit einfällt, langsam unruhig. Stiefele ohne Stiefel und Sumpf rasend schnell durch unsere kleine gemeinsame Wohnung im 27. Stock des Hochhauses von der Wohnungstür zum Ausguckfenster, aus dem ich den Hochhaus-Eingangsbereich erspähen kann. Die Finsternis greift kurz nach geworfenem Blick mit ihren Tentakelarmen nach mir, ergreift mich an den Zehen, sodass ich den Halt verliere und rückwärts in den breiten Ledersessel falle. In diesen Sofasessel, in dem wir so herrliche Liebesstunden verbringen konnten, denen ich jetzt, mich mit diesem Gedanken in den Schlaf wiegend, schwindelerregend nachträume.

Als die ersten Sonnenstrahlen heimtückisch meine Iris kitzeln, schrecke ich auf. Starre auf die Leuchtuhr des Radioweckers, die 06.37 h anzeigt. ‚Nicht möglich‘, sage ich flüsternd zu mir selbst. Hat sich meine Freundin, auf Zehenspitzen schleichend und mir dabei das so ersehnte Pilzmahl vorenthaltend, aus dem Staub gemacht?

Ich schreite entschlossen, ohne Lärm zu vermeiden, zur Schlafzimmertür und reisse sie, Vorwurfslawinen auf meiner Zunge vorbereitend, heftig auf. Das unberührte Bett lacht mich frech an, vermittelt mir Angstschauer in die linke Kniescheibe, meinem glücklicherweise einzigen, hoch empfindsamen, bereits angeknacksten Körperteil.

Was nur ist geschehen, vermeldet die Alarmsynapse in meinem Hinterkopf, ganz nahe am linken Ohr und löst dabei ein heftiges Ohrensausen aus, sodass ich ohne jede Absicht in das so angenehme halbherzige Ledersofa zurückplumpse. Allerhand Horrorszenarien rasen durch meinen Vorderkopf. Ist sie tatsächlich, vom Internetresultat ausgehend ‚in die Pilze gegangen‘? Bin ich hintergangen oder noch viel schreckerregend vorvergangen worden?

Was soll ich unternehmen? Vermisstenanzeige aufgeben? Dabei von der Polizeiwachtmeisterin mit dem Hinweis, erst einmal zwei Tage Geduld aufzubringen, heimlich hämisch ausgelacht zu werden? Oder soll ich selbst in den Wald eilen? Dort nach dem Rechten und Linken sehen? Sie auf frischer Tat in den Armen ihres Liebhabers, meines unbekannten Kontrahenten, erwischen?
Ich entscheide mich aus Selbstberuhigungsgründen für einen ausführlichen Waldspaziergang. Bei Nervositätszuständen ist der Gang in die Natur, das weiss ich aus eigener Erfahrung, ein probates Heilmittel.
Stürze einen heissen, frisch gebrühten, kleinen Schwarzen in meinen Rachen, verbrenne mir dabei die Zunge. Recht geschieht dir, bemerkt mein jetzt brennender Adamsapfel. Die Strafe für ungerechte Verdächtigungen folgt rasend schnell auf den bösen Gedanken.

Ich verlasse die Wohnung und bemerke, dass ich den Wohnungsschlüssel aus Nervosität im Inneren vergessen habe. ‚Kein Problem‘, beruhige ich mich selbst, ‚sie hat ja den Zweitschlüssel, und wenn ihr etwas geschehen sein sollte, muss ich sowieso zur Polizei, die alsdann den Zugang zur Wohnung problemlos sicherstellen wird.

Eile die Strasse entlang Richtung Wald. Tatsächlich hat der Dauerregen den Waldboden vollkommen aufgeweicht So ziehe ich einen nassen Schuh nach dem anderen aus dem Sumpf. Ist das ein Zeichen? Ein Hinweis zu meiner Ungerechtigkeit?

Doch da erblicke ich, der Donnerschreck schlägt blitzartig durch all meine Glieder, meine Partnerin in ihrem rot gepunkteten Regenmantel in inniger Umarmung mit einem riesigen Fliegenpilz, aus dem mitten im Herbst eine gelbe Schlüsselblume spriesst, unseren Wohnungsschlüssel in den Blättern fest umklammert haltend, ...



Und als Bonus ein weiterer DREISATZROMAN aus meiner Feder:

F L Ü G G E

Fliegen
Dabei sich
Verbiegend liegen.

Pilzig rotbepunktet
Rabattig schattig
Sich wiegen.

Wachträumend
Gedanken zäumend
Dabei Zu-Kunft rufend
Nur nie sich darauf berufend.




Die Wochengeschichte und/oder der Dreisatzroman können stets mit Quellenangabe (https://www.francois-loeb.com//kurzgeschichten-kostenlos-lesen/geschichten-erhalten/) auf Ihrer Homepage Ihrem Blog, oder der Vereinszeitschrift kostenlos aufgespielt werden!
Ich freue mich darüber!!


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