Meine kostenlose Kurzgeschichte der Woche
An dieser Stelle präsentiere ich Ihnen im wöchentlichen Wechsel die (kostenlose) Kurzgeschichte der Woche, auch als Pdf-Download.
Im Archiv können Sie dann auch stöbern und "alte" Kurzgeschichten lesen und anhören.
Hier die aktuelle Kurzgeschichte der Woche (auch als Download Pdf >>) :
Franzen
„Franzen? Was meinst Du damit?“ frage ich meine Teenagertochter. Sie antwortet mir nicht. Steckt ihre Nase ins Smartphone, das sie sich erst neu erworben hat. Erworben von den Einnahmen ihrer Servicetätigkeit im Nobel Lokal. Ja, sie kann artig sein. Sehr artig, nur nicht mit mir, ihrer Mutter. Arbeitet seit kurzer Zeit als Aushilfe mittags nach den Schulstunden dort. Kassiert Trinkgelder aus der gemeinsamen Kasse deren Aufbesserung eines ihrer Steckenpferde darstellt. Durch Artigkeit stelle ich mir vor. Nun, ein klein wenig stolz bin ich schon, dass sie dazu fähig ist. Will es ihr nur nicht zeigen. Habe ich mich verhört als mein Tochterherz vorher zu mir sprach? Franzen? Ein neuer Freund? Ein älterer Verehrer? Ein Gast aus dem Nobellokal? Hoffentlich nicht. Jungen Mädchen kann Geld und Eleganz den Kopf verdrehen. Oder das Wort im Mund! Wage mich nochmals nachzufragen.
„Franzen?“ spreche ich mit mütterlicher Schmeichelstimme aus.
„Verfranzen!, hörst du mir nur mit einem Ohr zu?“, antwortet sie knapp, mit harter Stimme, ist immer noch voll auf ihr Handy konzentriert. Schreibt. Hoffe nicht auf Tinder. Wohl eher ein WhatsApp! An Franz? Den Reichen, der ihr eine Absage erteilt? Sie verfranzt?
Verfranzen? Hat doch eine andere Bedeutung. Sehe auf meinem Smartphone in Wikipedia nach. Ach, wenn wir das nicht könnten. Selbst ich mit meiner Hochschul-Ausbildung wäre zu drei Achteln, nein, neun Zwölfteln, also drei Vierteln absolut verloren. Hmm? Verirrt? Verflogen?
„Willst du übers Wochenende dich mit einem Piloten, deinem Piloten verfliegen? Weißt du wie gefährlich das ist?“
Jetzt hebt sie die Augen vom Smartphone hoch? Blickt mich an wie wenn ich von Sinnen wäre. Ein Blick ist das der mir durch Mark und Bein verbissen gleitet. Mich beängstigt. Mir innerlich gefühlsmäßig bestätigt, dass Gefahr im Anflug ist! Also doch ein Pilot. Ein speisender Edel-Pilot. Mit eigener Maschine.
„Ojehh, dichter Nebel, Berge, Gletscher, Absturz …!“
„Was meinst du? Habe ich von Bergen, Gletschern, Abstürzen gesprochen? Deine Mutter Fantasie ist ein Mutterwitz! Habe mich im Internet verfranzt!“
Erleichtert entweicht ein Stossseufzer meiner Brust. Ein befreiendes Lächeln überzieht bei diesen Worten mein Gesicht.
„Weißt du woher das Wort verfranzen kommt?“, füge ich bei, „ist ein militärischer Ausdruck aus der Fliegerei. Wenn der Navigator, der als Neckname stets den Sammelbegriff Franz führte, sich verflogen hatte, foppte ihn seine Besatzung: ‚Franz hast dich wieder einmal verfranzt!‘“.
Doch die Tochter entgegnet:
„Also Mütter haben doch hellseherische Intuition! Ja, ich fliege mit Franz am Wochenende nach New York. Mit seinem Privatjet. Aber kannst beruhigt sein, ich werde nicht navigieren, das macht mein Mentor selbst!“ Mein Lächeln friert ein, als ob ich in 10000 Metern aus dem Privatjet gestoßen würde.