Die Fliege auf meiner Tastatur
Sommer. Hitze. Sitze in Shorts und Strohhut im kleinen gartenähnlichen Park, Pärkchen wäre die bessere Bezeichnung, die hinter unserem Sozialwohnungsblock, wohl aus schlechtem Gewissen des Parteioberhaupts auf der Jagd nach sozialer Gerechtigkeit, oder auf Jagd nach Stimmen für seine Wiederwahl die im Herbst stattfinden wird, im April in Windeseile durch große städtische Baumaschinen, gefolgt von einer Armada von Gärtnerinnen und Gärtnern und deren Gehilfenschaft errichtet worden war. Natürlich mit Blitzlichtgewitter-Einweihung. Tue Gutes und sprich laut darüber, aber lasse dich nicht blenden, war des Parteivorsitzendens Devise, nehme ich an. Doch die Blitzlichter blenden mich. Nehmen mir beinahe das Augenlicht. Mein wertvollstes Gut. Denn, wie soll ein kleines Dichterlein ohne Augen die Ungerechtigkeiten der Welt in seine Werke fassen?
Jedenfalls nähert sich der Mitgebieter über die Gartenarmada und der gesamten verwinkelten Stadtverwaltung jetzt meinem Sitz- und Schreibplatz, einer grünen Sitzbank, die einzige im Pärkchen, denn eine zweite fände weder Raum noch Platz, tritt zu mir hin. Lächelt. Schiebt seine Marken Sonnenbrille auf die gewölbte Stirn, Ray kann ich auf dem rechten Seitenbügel mit Mühe mit meinen geblendeten Pupillen lesen. Kameras surren. Stative werden verschoben. Helligkeit gemessen. Und ER spricht mich an: „Gefällt?“ Ich sehe zu ihm hoch. Er fährt weiter: “Glücklich?“ Was soll ich nur antworten. Und das TV-gerecht? Reden ist Silber, Schweigen Trompetengold. Und antworten ist nicht möglich da ich mitten in meiner neuen Allegorie über die Ameisen die einen weißen Schmetterling abschleppen, der altersgerecht sein Schicksal besiegelt bekommt, konzentriert am Schreiben bin.
Da entdecke ich sie! Die Fliege, die meine Tastatur zu lieben scheint. Sind die Hautpartikel von meinen Fingerkuppen ein Schmaus für sie? Verfolge der Fliege Weg. Von Buchstaben zu Buchstaben. Will sie mir eine Mitteilung überbringen. Ist sie eine wiedergeborene Menschenseele in ihrem Fliegenlebenskleid? Das Parteioberhaupt senkt nun sein Haupt zu meiner Tastatur. Verfolgt mit seinen Augäpfeln die Bewegungen der Fliege. Mein Hirn setzt die Buchstaben zu Worten, die Worte zu Sätzen zusammen:
S o m m e r. H i t z e. S i t z e i n S h o r t s u n d S t r o h u t i m g a r t e n ä h n l i c h e n . . .
Da geht mir unmittelbar ein Licht auf! Ich bin die Fliege! Hebe ab. Setze mich ins Ohr des hohen Herrn. Er soll wissen was sein nächstes Leben für Töne hergeben wird ...