Meine kostenlose Kurzgeschichte der Woche
An dieser Stelle präsentiere ich Ihnen im wöchentlichen Wechsel die (kostenlose) Kurzgeschichte der Woche, auch als Pdf-Download.
Im Archiv können Sie dann auch stöbern und "alte" Kurzgeschichten lesen und anhören.
Hier die aktuelle Kurzgeschichte der Woche (auch als Download Pdf >>) :
Fersengeld
Ich spitze die Ohren!
Sitzen doch da in der Bahn im gleichen Abteil mit mir zwei mittelalterliche Damen, die eine attraktiver als die andere, gerade wegen ihrer vollschlanken Figur und diskutieren über Gott und die Welt. Eigentlich hätte ich zu arbeiten. Meine Sitzung vorzubereiten. Ich habe einen Zahlensalat vorzulegen, meine Erfolge der vergangenen Monate zu präsentieren, die sich aus mehrheitlichen Misserfolgen zusammensetzen, die ich geschickt zu kaschieren haben werde. Von diesen abzulenken versuchen muss, um meine Arbeitsstelle zu sichern. Aber was soll‘s, es ist spannender fremden Mist als den eigenen zu führen. Und ich bin um jede Ablenkung glücklich, die mich von meinen schwarzen Entlassungs Gedanken abhält. Irgendwie werde ich mich durchzuschlängeln wissen, mit Zukunftsversprechen. Ich bin dabei eine echte Kanone!
Das Gespräch der beiden Damen dümpelt dahin. Von Familienangelegenheiten zu Unfällen und Verbrechen. Vom Wetter zu Sonntagsausflügen und jetzt zu Rezepten. Die meinen und deren Hunger und Durst anregen.
Da holt die kleinere Pummelige einen Korb aus der Gepäckablage die über unseren Häuptern thront. Es ist ein Henkelkorb mit zwei obenliegenden Klappen. Die eine Seite des Behältnisses entlässt einen Duft der meine Magensäfte in Wallung bringt und mir Stielaugen verpasst. Der zweite Deckel lässt eine schlanke Flasche sich zum Tageslicht strecken. Ein kariertes Tuch wird ausgebreitet und das Mahl beginnt mit der Verteilung von Messern und Gabeln und, da staune ich nicht schlecht, zum Tuch passenden Stoffservietten. Und ich armer Tropf muss meine Augen essen lassen. Es erfolgt keine Einladung zum Mitspeisen. Da ertönt das Plopp der Flaschenöffnung und der Duft des edlen Getränks erfüllt das Bahnabteil. Der Wein funkelt. Zwischen den vinophoben Schlucken aus den kleinen, gläsernen Gläsern, und den kräftigen grossen Bissen in die belegten Brote, nimmt mit neuer Kraft das Gespräch wieder Fahrt auf. Um meinen Magen zu beruhigen bleibt mir nichts anderes übrig, als mich satt zu sehen und die nackten Worte und Sätze zu sezieren, an den Silben zu nagen, bis nichts mehr davon übrig bleibt als Wörterstaub der sich im Satzhüpfen übt und meine Ohren zu Antennenleistungen anspornt, damit ich nicht verhungere, noch vor der Satzauflösung etwas davon zur virtuellen Hungerstillung abbekomme. Stelle mir die rhetorische Frage ob ich Platz wechseln soll. Ein anderes Abteil aufsuchen muss. Aber genau in diesem Augenblick beginnt die Unpummelige ein Wort einzuwerfen, es dreimal mit der Zunge zu betonen, es wie eine Rakete die ein neues Kapitel eröffnet, zwischen ihren blitzblank weissen Zähnen zu entlassen: „Fersengeld!“
Nun bei einem so spannenden Wort kann ich die Runde nicht verlassen. Muss den weiteren Verlauf beobachten. Vor was und wem musste sie Fersengeld geben. Bestimmt konnte sie sich retten, sonst sässe sie nicht hier, da bahnt sich bestimmt eine Abenteuergeschichte an. Darf kein Wort, keinen Satz verpassen. Muss das Silbennagen einstellen, obwohl das zu störendem Magengurgeln meinerseits führt.
„Fersengeld“ wiederholt sie jetzt, dramatische Noten in das Wort einfügend, was dieses auch verdient, „Fersengeld, du kannst dir nicht vorstellen wie lange die Podologin an meinem Fuss gearbeitet hat und was ich dafür bezahlen musste, unglaublich …“.
Um mein Abenteuer gebracht, gebe ich nun Fersengeld, aber echtes ...!