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Meine kostenlose Kurzgeschichte der Woche

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Atlantis

Seit meiner Schulzeit bin ich von Atlantis fasziniert. Der verschollenen Insel mit einer hochkulturellen Bevölkerung, wie unser Antiken-Lehrer immer wieder betonte. Er bedauerte immer aufs Neue, dass sich die Wissenschaft nicht ernsthafter mit deren Geschichte und Nachforschungen befasse. Befassen wolle. Und dies einzig, weil die Aussichten auf Erfolg zu gering seien. Statistisch gleich null, denn bisher wurden keinerlei Spuren, selbst in tiefsten Meerestiefen, gefunden. Doch betonte der Lehrer, dies sollte einen Anreiz darstellen. Ein Wegweiser in unserem so abgesicherten Leben. Denn wo könnten noch echte Entdeckungen ans Tageslicht befördert, wo welterschütternde Neuigkeiten erkannt, der Bevölkerung nähergebracht werden, so seine rhetorischen Fragen. Bestimmt hier bei der untergegangenen Insel mit ihren bestimmt ungeheuren Kulturschätzen. Der Lehrer redete sich beim Thema ATLANTIS in Wut, sein Kopf wurde dabei hochrot. Seine Ohren glühten regelrecht. So war es nicht erstaunlich, dass die Klasse als Unterhaltungsspiel immer wieder beinahe in jeder Unterrichtsstunde Fragen zu Atlantis stellte. Damit Erfolge verbuchen konnte. Vom obligatorischen Stoff abzulenken wusste. Auch ich fand Spass am Spiel. Doch bei mir drang die Begeisterung in tiefere Schichten meines Bewusstseins. So innig hatte ich diesen Stoff aufgenommen, dass er zu meiner Berufsberufung wurde.

Seit meinem Universitätsabschluss in Geologie widme ich mich voll und ganz ATLANTIS. Versuche an möglichst alle bestehenden Informationen zu gelangen, was kein einfaches Unterfangen darstellt. Werde überall belächelt. Bei meiner Suche nach einer Forschungsstelle oder gar einer Professur scheitere ich seit Jahrzehnten. Lasse mich jedoch nie entmutigen. Bin überzeugt, dass eines Tages der grosse Durchbruch erreicht werden kann. In der Zwischenzeit navigiere ich mehr schlecht als recht durch meine Vita. Bin jetzt mit meinen siebenundachtzig Lenzen und dem Ende der Lebenserwartung in Sicht noch immer nicht bereit, mein Lebensziel, neue Erkenntnisse über Atlantis zu entdecken, aufzugeben. Sehr beeindruckt hat mich der Meeresforscher Cousteau mit seinem Team. Seine Leistungen beflügeln mich. Nicht mit Flossen, sondern mit der Idee, ein Unterwasserfahrzeug zu konstruieren, mit dem ich Atlantis entdecken kann.

Das Vorhaben des Baus eines Metaspace übersteigt meine eigenen Mittel, selbst wenn ich eine Option auf meine sterblichen Überreste zugunsten einer Universitätseinrichtung abschliesse. Muss mich auf Sponsorensuche begeben. Doch wer kann an solch einem Forschungsschiff Interesse haben? Klopfe sämtliche Wirtschaftszweige ab. Finde keine logische Verbindung. Bin am Verzweifeln.

Fahre spät abends mit der Strassenbahn, mein Auto habe ich längst zur Lebenshaltung veräussert, zu meinem Stamm-Biergarten, um mich unter Freunden zu entspannen. Sitze einem jungen Schnösel, eine Schnöselin ist es bestimmt nicht, obwohl heutzutage die Unterschiede nicht mehr gravierend sind, gegenüber. Und dieser schmatzt laut Speicheleinheiten produzierend an einem Kaugummi unbestimmten Geschmacks. Und da kommt die zündende Idee! Einen Kaugummi-Hersteller zu kontaktieren, ob dieser nicht Interesse an einem Unterwasser-Chewing-Gum haben könnte, der in den Meerestiefen Taucher nicht behindern, sondern ihnen helfen kann, dem Druckausgleich standzuhalten. Gedacht, getan! Ich suche im Telefonbuch nach dem hiesigen Produzenten, der immer mit der Werbung, regionale Kaugummis zu berücksichtigen, auffällt. Werde fündig! Rufe an, obwohl das Sieben-Uhr-Abend-Kirchengeläut bereits verklungen ist. Und siehe da. Herr ‚Gum‘ nimmt den Anruf persönlich entgegen. Ist von meinem Vorschlag begeistert. Sagt eine kleine Millionensumme zum Bau des Unterwasserfahrzeugs zu. Einzige Bedingung ist der Einbau eines kaugummigerechten, wasserdichten Zusatztanks mit einem Entsorgungsschlitz für das Gebrauchte. Erhofft sich, wie er mir kundtut, eine massive Belebung seiner Absatzkanäle, da die Medien sich kaum über die Atlantis-Suche hinwegsetzen können.

Und so kommt es, seit meiner Begegnung mit dem Kaugummikönig sind drei Monate vergangen, dass ich heute, ausgerüstet mit einem traumhaften Chewing-Gum-Vorrat, nach erfolgreichen Tauchversuchen auf die Suche nach Atlantis aufbreche.

Immer tiefer geht es. Brav kaue ich meines Sponsors Produkt, um den unautomatischen Druckausgleich zu aktivieren. Die Scheinwerfer sind full power eingeschaltet. Aktiviert. Leuchten die Unterwasserlandschaft aus.

Da, kaum zu glauben, entdecke ich ein Tor. Eine grüne Ampel zeigt mir an, dass mein Gefährt aufgespürt wurde. Tatsächlich öffnet sich die Einfahrt, und ich schwebe in einen hell erstrahlenden Raum. Hinter mir gleitet die Schiebetür unwiderruflich zu. Öffne meine Luke, nachdem mein Spektrometer atembare Luft detektiert hat. Steige aus. Stehe einem dinosaurierartigen Geschöpf gegenüber, das mit dem riesengrossen, schuppigen Schwanz wedelt. Mich in menschlicher Sprache, der Stimme meines ehemaligen Lehrers, anspricht. Mich bittet, aufmerksam zuzuhören, denn die Botschaft, die es mir mitzugeben hoffe, sei für die gemeinsame Zukunft, die Zukunft des Erdballs, von entscheidender Bedeutung.

Seine Welt, die Welt von Atlantis, sei vor Millionen Jahren auf Grund der Unvernunft seiner Bewohner kläglich untergegangen. Eine Katastrophe mit Kernkraft habe alles zerstört. Doch sein, des Dinos, Labor habe das vorausgesehen und durch die von ihm entwickelte künstliche Intelligenz eine neue Welt, ein kleines künstliches Paradies geschaffen, von dem auch ich als neu geschaffenes Wesen, er habe es Mensch genannt, profitieren konnte. Doch leider wiederhole sich durch einen kleinen Programmfehler die Unvernunft. Er bitte mich deshalb, seine KI Kenntnisse mit auf die feste Erde zu nehmen, um, bevor die Unvernunft überhandnehme, ein neues kleines Paradies zu schaffen. Ich könne es nennen, wie ich wolle. Das sei meine Freiheit. Wichtig sei einzig, vor der Zerstörung der von ihm geschaffenen, künstlichen Welt eine neue zu schaffen, damit das, was einst Bestand hatte, weiter bestehen könne. Klar, dass sich dabei in Geduld zu üben sei, denn die künstliche Evolution werde bestimmt einige Millionen Jahre benötigen, um dem Namen Paradies voll und ganz zu entsprechen. Er hoffe nur, dass dann kein Programmierfehler erneut zu dessen Destruktion durch Unvernunft führen werde.


Und als Bonus ein weiterer DREISATZROMAN aus meiner Feder:

T I E F E

In der Tiefe der Tiefe 
Sich alles Leben verliefe
Glauben so zahlreich Viele.

Dabei erst dort zerrinnt
Die Oberfläche
sonst so
zäh.

Öffnet Schründe
Die lautlos verkünden
Von allem Wesentlichen
Das begleitet leise unser Leben.




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