kostenlose Kurzgeschichte der Woche

Meine kostenlose Kurzgeschichte der Woche

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Akkukultur

Gesundheit liegt mir sehr am Herzen. Alternative Ernährung. Rohkost. Aber auch natürliche Heilmethoden. Was für unsere Vormütter gut war, ist bestimmt auch für mich geeignet. Kräutersalben. Salbenkräuter. Arnika. Und Salbei. Schon nur des Namens willen. Auf verwandte Wortstämme achte ich besonders. Deshalb kein Wunder, dass ich neben dem Hauseingang der Hildegard von Bingen Strasse, die ich besonders gerne als Weg, ein mittlerer Umweg ist diese mir wert, von meiner Arbeitsstätte nach Hause nehme, vor der Nummer 122 B stehen bleibe und das neu angebrachte bronzene Schild bestaune, auf dem auf eine Praxis für Akkukultur in goldenen Lettern hingewiesen wird. Das Schild erstrahlt als sei es eben erst aus der Schilderwerkstatt entkommen. Strahlt so wie mein Ego, wenn ich mit frisch blondiertem Haar vom Naturprodukte-Haarkünstler entlassen worden bin. Akkukultur? Noch nie gehört. Abwandlung von Akupunktur? Von Akupressur? Das Doppel k in Akkukultur um auf die Neuheit hinzuweisen? Um Kunden anzuziehen? Oder hat das Ganze mit Akkus zu tun? Ist verbunden mit dem Trend zu Elektroautos? Riesigen unterirdischen Lagern an Strom die mit neusten Technologien erbaut sind und heute noch dem einfachen Volk, zu dem ich gehöre, unbekannt sind? Sitzen dort Ingenieurinnen und Ingenieure, Mathematiker und Stromer, oder werden gar Stromschnellen domestiziert?
Ich muss es wissen. Lässt mir keine Ruhe. Mein Wissen erweitern. Anrufen? Mich aufklären lassen? Oder mutig sein, einfach einen Termin buchen. Könnte etwas Spannendes und Heilsames sein. Mutimpuls in den rechten Zeigefinger fliessen lassen. Klingelknopf bei dem kleinen, dieses jedoch nicht in Bronze aber in Gold prangend, Akkukulturschild beim Hauseingang drücken, oder besser um dem Wortstamm gerecht zu werden, pressen. Eine warme sympathische Stimme, leider elektronisch leicht verzerrt, ertönt aus dem Lautsprecher, fragt nach meinem Begehr. Ich erkundige mich nach einem freien Termin. Oute mich als natürlich, nein streng natürlich lebender Mensch. Bekomme Antwort, dass ich ein Glückspilz sei. Ein natürlicher. Denn gerade eben habe eine Kundin kurzfristig abgesagt und zudem würde ich zu den zehn ersten Kundschaften gehören, die vollkommen kostenlos, vollkommen mit der neuen Gesundheitsmethode behandelt, wie frisch geboren nach der Applikation in den Frühling wandeln könnten. Zuvor werde eine Anamnese aufgenommen um allergische und weitere Reaktionen mit 100% Sicherheit auszuschliessen. Nun, denke ich, die Sache mal ansehen. Kann ja immer noch vor der Behandlung, nach der Anamnese aussteigen. Die Flucht ergreifen falls mir die Sache nicht geheuer sei. Werde gebeten in den siebten Stock zu kommen. Aufzug sei gleich links beim Eingang. Ein leises Schnurren des Türschlosses erklingt. Jemand der so auf harmonische Kleinigkeiten achte könne nichts Böses im Schilde führen, beruhigt mich ein Gedanke aus dem Sicherheitszentrum meiner linken Gehirnhälfte. Auch die geschmackvollen Schilder wiesen darauf hin, doppelt der Gedanke, wohl angeregt vom Doppel k, nach! Aber Aufzug, nein! Ich erklimme Treppenhausstufen erobernd die sieben Stockwerke. Eigentlich sind es acht, wie meine Beine meinem jetzt aktivierten Schweisszentrum mitteilen, denn das Erdgeschoss, wohl prunkvoll gebaut, umfasst deren zwei.
Etwas atemlos erreiche ich den siebten Stock. Die Türe ist weit einladend offen. Werde liebevoll in Empfang genommen. Die Praxis, trotz des Schneefalls draussen , voller Frühjahrsblüten. Ein wahrer Garten. Bestimmt alles Geschenke zur Eröffnung, denke ich. Aber so geschmackvoll und natürlich drapiert, dass ich sofort und unmittelbar Vertrauen fasse. Jemand der solches zustande bringt und das im siebten Stockwerk, das wortstammmässig an den siebten Himmel erinnert, muss mit beinahe magischen Kräften gesegnet sein. Werde in das Ordinationszimmer geführt. Zum Sitzen in einen mit Blumenmustern übersäten Lehnstuhl gebeten. Die Türe, angeschrieben mit AKKUKULTURRAUM öffnet sich. Eine junge Frau mit einer Arnika im Haar-Dutt erscheint. Stellt mir eine Anzahl Fragen. Notiert emsig in eine mit ‚Patient‘ beschriftete Karteikarte meine Antworten. Begleitet mich darauf in den Raum aus dem sie kam. Bittet mich auf eine Liege. Erkundigt sich ob ich bequem liege. Erklärt mir, dass ich jetzt einen kleinen Pikser in den Oberschenkel, ich könne auswählen ob links oder rechts, erhalten würde. Ich wähle, so wie ich wähle, links. Ein kleiner Stich. Schmerzt nicht. Und freue mich bereits jetzt auf die wohltuende natürliche Wirkung die sie mir zuvor geschildert hat. Ich würde mich, danach, also nach einigen Wochen um Jahre verjüngt fühlen und mit Beachtungserfolgen überhäuft werden. Das Geheimnis liege in dem Gespritzten das Natürlichkeit und Effizienz in Potenz darstelle.
Ich tippe im geheimen auf Frischzellen. Entzogen aus fötalen Zellen von Schafen. Will das unter keinen Umständen! Bin auf Natürlichkeit getrimmt und zudem auch bekennende Tierschützerin! Wie das Gespritzte wieder loswerden? Voller Wut werfe ich der Haar-Dutt Frau Missbrauch gegen meine Prinzipien vor. Mit beruhigender Stimme, sie streicht mir dabei sanft über mein Haar das meinen ganzen Stolz darstellt: „ach nein, die Substanzen die ich in Ihre Blutbahn infusiert habe müssen Zeit zum Keimen haben!“
Ich solle immer, wenn es möglich sei, mich an die Sonne setzen und unbedingt genug Wasser trinken, denn die Samen, die sie mir als Akkukultur gespritzt habe, sollten optimale Bedingungen in meinem Körper vorfinden um zu Blühen. Sie habe mir der kommenden Jahreszeit entsprechend bunte Frühlingsblumensamen eingespritzt, die dann durch meine Haut brechend, das Licht der Welt erblicken und diese und bestimmt auch mich, erfreuen würden. Es seien ja dann natürliche Gewächse, in Bioumgebung gewachsen, oder würde ich mich nicht als Teil der natürlichen Natur einordnen ...?




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"Akkukultur" als Tondokument, vorgelesen von François Loeb:






Ein Kommentar zu dieser Kurzgeschichte:

Am 26. Februar 2021 schrieb ein anonymer Leser:

"Die seit langem schönste Frühlingsgeschichte. Danke lieber François du überrascht jede Woche aufs neue."




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Ihr François Loeb

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