Kurzgeschichte der Woche

Willologie

„Ich studiere Willologie“, sagt mir der großgewachsene, kräftig gebaute Kommilitone, neben dem ich auf der Gartenterrasse der Mensa bei Vogelgezwitscher sitze. Ehrlich gesagt sieht er gut aus und mein Herz klopft schneller als normal. Kein gutes Zeichen, meldet mein linker Herzmuskel der mit dem Antrieb seiner Herzklappe voll beschäftigt ist und selten zu mir spricht. Halt die Klappe denke ich innerlich, denn Herzklopfen kann ja auch ein segensreiches Zeichen für die Zukunft sein. Ein Willologe dürfte durchaus spannend sein, wobei ich noch nicht einmal weiß was ein Willologie Studium beinhaltet. Muss ihn bei Gelegenheit darüber befragen. Doch nicht jetzt, er könnte das als großes Interesse an seiner Person auslegen und dafür ist es eindeutig viel zu früh. Gut Ding will Weile haben. Weshalb eigentlich nicht Eile? Wäre doch für alle Teile besser. Für meine Herzklappe, der ich jetzt nochmals befehle die Klappe zu halten, als auch für den Willologen und natürlich für mich.

Hätte dann bei Wissen wie es weitergeht nicht dieses unheimliche Kribbeln am ganzen Körper. Also frisch und munter, frage ihn jetzt. Er muss dir Antwort geben und ich kann seine sonore Stimme genießen, ohne mir einen Stein aus der Krone rauben zu lassen. Auch so ein unverschämtes Sprichwort. Wäre besser Wortspriche zu kreieren. Oder einen Wortstich. Ähnlich schmerzhaft wie ein Bienenstich. Ach, wie mein Hirn sich duckst und Auswege sucht, nur um ihn, den Willologen nicht zu fragen. Ablenkt. Mich auf falsche Fährten führen will. Los jetzt, klappert die Herzklappe zuerst lustig, dann ernst und lauthals, ja bis hinauf zu meinem Hals, drauflos. Los, frage ihn. Und um das Klappern endlich zu beenden nehme ich meine Stimmbänder in beide Hände, oder heißt es in beide Füße und frage, es scheint mir mit krächzender Stimme statt eleganter leicht abweisender Sprache: „Was ist Willologie, entschuldige mich, bin erst im ersten Semester“.

Also, dümmer als diese gestammelten Worte geht‘s nimmer, brummt mein Schädel mit seinen Föhnanfällen, wie der Teddy meiner Kindheit, meiner linken Zehe zu, die er besonders ins Herz, aber ohne Herzklappe, geschlossen hat. Der Willologe sieht mich lange mit seinen, so tief in sein Inneres blickend lassenden blauen Augen an, schürzt seine Lippen und muss seinen Stimmbändern keinen Auftrag erteilen, denn ich fühle seinen Willen nun so intensiv, dass ich voller Überzeugung weiß, dass er gelernt hat seinen Willen zu domestizieren und anderen Menschen überzustülpen.
So hatte ich ihn kennen gelernt, meinen Mann, vor vielen Jahren. Doch inzwischen habe ich die gleichen Fächer belegt und beherrsche ihn jetzt, doch viel subtiler als er mich damals! Ohne männliche Härte, so muss er sich nicht dagegen stemmen...




Dreisatzroman der Woche

W I L L E

Mein Wille wallt durch mich, befiehlt mal dies, dann plötzlich das und wenn ich mit ihm sprechen will, sagt der Wille NEIN jetzt will ich just gerade nicht, keine Zeit, du weißt ich bin dein Wille.

Er will und will der Wille und ich bin dabei still in meiner Stille.

Doch dann, nehme ich den Mut in beide Hände, übernehme des Willens Sein, binde seine Arme, seine Hände sind schon mein und befehl ihm ICH WILL, das was du auch wolltest, doch nun ist mein eigener Wille frei!




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Ein Kommentar zu dieser Kurzgeschichte:

Am 8. Juni 2018 schrieb ein anonymer Leser:

"Sie sind ein wahrer Erfinder! Nicht nur der verfremdeten Ausdrücke und Semantik. Die Konversation, die zu einer Schicksalsbegegnung wird, die überraschende Pointe, alle Ihre Zaubermittel sind in dieser Geschichte dabei. "




"Willologie" als Tondokument, vorgelesen von François Loeb:





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