Kurzgeschichte der Woche

Verduften

„Das Wort Duft löst in meinem Hirn unzählige Assoziationen aus. Auch bei Dir? Schließ einfach die Augen. Sag dreimal laut vor Dich hin DUFT, DUFT, DUFT, einmalige Erlebnisse wirst Du dabei durchleben. Versuche es einfach! Keine Scheu. Geschieht Dir nichts dabei. Keine Gefahr. Einfach genießen. Duftmarken, abgelegt in unseren Köpfen, lassen Erinnerungen auf ewig bestehen. Die Kunst ist es diese einfach aufleben zu lassen. Zum Leben zu erwecken. Dufterweckkunst. Dufterweckkünstler sein. Schließe einfach die Augen. Jetzt!“, bemerkt meine Freundin an diesem Frühjahrsabend beim Spaziergang im Park und drückt mir dabei fest die Hand.

Nichts zu verlieren, signalisieren meine Synapsen. Kein Glatteis in Sicht. Kein Konkurrent der deine Kreise stören kann. Augen schließen. Und tatsächlich welch Reichtum umgibt mich innert Sekunden. Duftfülle. Dufthüllen. Einfach traumhaft! Großmutters Backofen. Der Duft meines ersten Kusses. Muttermilch. Narzissen. Männertreublüten mit ihrem Vanillegeschmack. Mein erster eigener Wagen für den ich so schuften musste, ein einmaliger Neuwagengeruch. Das Schaumbad damals. Der reife Pfirsich. Das Meer. Die Gerüche der Provence. Gletschereis. Ich will die Augen nicht mehr öffnen. Das Duftparadies nicht verlassen. Nie. In ihm schwelgen.

Wie richtig liegt meine Freundin! Wie bin ich glücklich ihrer Anleitung zu folgen. Schwelge weiter. Die laue Sommernacht. Sonnengebräuntes Holz. Die abgeerntete Wiese. Deren Wandlung zu Heu. Der Modergeruch von abgefallenen Blättern im Herbst. Weihnachtsgebäck! Unendlich all die Düfte. Augen weiter geschlossen halten. Reiner Genuss. Durchzogen da und dort von Abluftwolken, auf dass die Guten gewinnen mögen, die Schlechten vertreiben. Wie im Leben …
Ach verweile doch du Nasenblick …
Kann nicht ewig in diesem Zustand verweilen.
Öffne die Augen.
Stehe mutterseelenallein im Park.
Keine Spur meiner Freundin.
Verduftet …?




Dreisatzroman der Woche

K N O S P E

Meine Eine kleine Rosenknospe zerrte an ihrem Stachelzweig, wollte sein endlich frei, löste sich mit einem Ruck vom Stamm, breitete aus ihre virtuellen Schwingen, den Vögeln abgeschaut und hob sich hoch über ihren Busch in das blaue, von der Morgensonne rot behauchte Firmament.

Flatternd erst und dann auch segelnd umkreiste sie die Welt, sah Wunderschönes und auch Kriege, schüttelte ihr nun blühend Haupt, nickte der Wüstenkaktusblüte zu, setzte sich zum Baum des Affenbrots, sang in hellsten Tönen ihre Lieder, atmete den Duft im Unterwasserflieder.

Da wachte sie auf aus ihrem Traum, trank sanft den Tau vom grünen Blatt, blühte auf am Busch, erfreute jedes sehend Aug, doch träumte sie nun jede Nacht auf ihren virtuellen Schwingen, die nicht am Rosenboden lassen ins Erdenreich sich zwingen.




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Einige Kommentare zu dieser Kurzgeschichte:

Am 29. März 2018 schrieb P.S.:

"Der Dreisatzroman finde ich diese Woche gewaltig gut."

Ebenfalls Am 29. März 2018 schrieb T.S.:

"Jeden Freitag lese ich die Kurzgeschte mit Genuss. Sie bereiten mir 'grossi Freud für Härz u Gmüet. G'schicht vom Parfum hett mi sehr beidruckt.' Danke! "




"Verduften" als Tondokument, vorgelesen von François Loeb:





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