Der kleine Zeiterling schrie schon in seiner Erdenwiege nach Tagen und Stunden, Monaten und Sekunden, verdaute spielend Jahre, schmatzte die Wochen genüsslich durch.
Die Geschwindigkeit, mit dem sein Zeitumfang wuchs, war dem Zeiterling stets zu gering. Bis die Verpuppung nahte, er ins Träumen und Schwärmen geriet, den Flatterdrang darauf empfand, der in seiner noch schlafenden Seele emporzusteigen begann.
Als er als ausgewachsener Zeiterling neu geboren ward, sich seiner Vergänglichkeit bewusst, der Zeit annahm, vergingen die Tage viel zu rasch, die Stunden wurden zu Sekunden, die Wochen ein Flatterschlag.
Doch als es dann ans Sterben ging, Winterlüfte ihn zu verdorrten Blüten warfen, entsetzte der Zeiterling sich ob seiner eigenen Kurzsicht, da er als junger Zeiterling die Tage und Stunden, Wochen und Jahre nicht schnell genug hatte verschlingen können.
Und trotz allen Bedauerns, all der vergossenen Tränen um vertane Tage und Stunden, Wochen und Jahre, wurden seine Flügel lahm, der Flügelschlag schwach, die Tränen froren zu kreisrunden Kristallen ein und der Zeiterling träumte bald von einem neuen tröstlichen Traumessein.
Aus meinem neuen Buch ZEITWEICHEN, Allitera Verlag, München
ISBN Print 978-3-86906-927-2
ISBN ePub 978-3-86906-928-9
ISBN ePub 978-3-86906-997-5