Meine kostenlose Kurzgeschichte der Woche
An dieser Stelle präsentiere ich Ihnen im wöchentlichen Wechsel die (kostenlose) Kurzgeschichte der Woche, auch als Pdf-Download.
Im Archiv können Sie dann auch stöbern und "alte" Kurzgeschichten lesen und anhören.
Hier die aktuelle Kurzgeschichte der Woche (auch als Download Pdf >>) :
Nachtvögel
Das war ein anstrengender Tag. Heiß. Kein Lüftchen kühlte. Der Asphalt der Großstadt strahlte
Gluthitze aus. Die Besuche die ich zu absolvieren hatte lagen weit auseinander. Mein Pech, dass
selbst die Taxen die ich benutzt hatte, um vom einen an den anderen Besprechungsort zu gelangen,
alle keine Klimaanlage besaßen. Die Fahrer entsprechend mürrisch. Schweißgebadet wie ich. Keinen
Bock auf Gespräche hatten. So saß ich einsam im Kunstlederfond der abgewetzten Wagen. Versuchte
jeweils ein Nickerchen einzuplanen. Was in der dröhnenden Rap- und Popmusik die den Fahrer wach
hielt ein sinnloses Unterfangen darstellte. Und die Besprechungen! Ich sollte die neuste IT
Applikation, ein geniales Werk unserer Entwicklungsabteilung, an Finanzberater in Lizenz verkaufen.
Um deren Gewinne zu optimieren. Die Kundschaft dazu zu bringen mehr Transaktionen
durchzuführen, an denen die Berater ihren Anteil haben würden. Doch an diesem gewitterträchtigen
Tag waren die Ohren meiner potentiellen Kunden wie versiegelt. Keiner wollte anbeißen. Ich angelte
im aufgeheizten Beraterteich, trotz hervorragendem Köder, sinn- und zwecklos, fühlte mich wie ein
verjagter Straßenköter, der ein schattiges Plätzchen und einen alten Knochen zum Stillen seines
unbändigen Hungers sucht und nicht findet.
Jetzt war meine Tagesfolter beendet. Der letzte murrende, nach höherem Trinkgeld gierende Taxi-
Chauffeur hatte mich soeben aus seinem Glutofenfahrzeug am Hauptbahnhof entlassen. Ich sehnte
mich auf mein Wochenende in den Armen meiner geliebten Verlobten, die am anderen Ende des
Landes wohnte. Eine über vierstündige Bahnfahrt lag vor mir. Ich freute mich auf die
Entspannungszeit im klimatisierten Bahnwagen. Zwar 2.Klasse, mein Unternehmen war seit drei
Monaten, dank einem neuen Controller dem Spar Wahn verfallen. Dank diesem waren alle
erstklassigen Vergünstigungen, denen wir zuvor jahrzehntelang frönen durften, abrupt gestrichen
worden. Ich liebe die Bahnhofsatmosphäre. Die Hektik in der ich Ruhe finde. Denn Gegensätze sind
für mich der Humus guter Laune. Doch als ich die Anzeigetafel studierte begann diese, nicht die
Anzeigetafel, nein, die gute Laune, heftig zu wanken. Denn da stand, in Laufschrift, leider nicht im
Laufschritt, dass mein Sprinter eine zweistündige Verspätung eingefangen habe. Beim
Auskunftsschalter wurde mir, auch hier von einem mürrischen Beamten mit schwarzen Ringen unter
den Augen, beschieden, dass es keinerlei alternative Verbindung gebe, ich solle mich gedulden. Er
fügte dann bei dem Grunde sei ein technisches Problem am Zug, da könne er nichts machen und
mich damit trösten, dass auf der Autobahn Staus von 50 Kilometern heute auch bereits Standard
seien. Ich versuchte einen ruhigen Platz in einer Gaststätte zu erobern, doch überall das aus den
heutigen Fahrten bereits erlebte Dröhnen modernster Musik. Verließ darauf das Bahnhofsgebäude.
Setzte mich, obwohl auch hier der Verkehrslärm meine Trommelfelle beschallte, auf ein Mäuerchen.
Beobachtete die Tauben. Die Spatzen. Deren Kampf ums Überleben. Die Futtersuche. Die
gegenseitigen Rempeleien und Schnabelhiebe um die Konkurrenz zu vertreiben. Ach, dachte ich, wie
wundervoll es diese Tiere mit ihren Gefiedern auf unserem Planeten haben. Sind nicht auf Züge
angewiesen. Auf Verbindungen. Nicht auf Taxis, fühlen Hitze und Kälte kaum. Müssen nicht
verkaufen. Keine Finanzberater verführen deren Kundschaft anzuführen, Transaktionen
durchzuführen. Ein angenehmes Plätzchen habe ich mir für die Wartezeit ausgesucht. Entspannen!
Sich vom leisen Abendwind einlullen lassen. Da, zwei Tauben im Liebestaumel. Mein Rücken juckt Ein
Mückenstich? Höre Stoff Reißen. Was ist da im Gange? Meine Arme steif. Ein Kribbeln am ganzen
Körper. Nein, nicht möglich …, mir wachsen Gefieder! Erhebe mich flatternd von der Bahnhofsmauer.
Schließe mich dem Vogelzug an der am Himmel vorbeizieht. Schnattere mit den anderen um die
Wette. Denke einfach nur: Zug bleibt Zug. …!“