Meine kostenlose Kurzgeschichte der Woche
An dieser Stelle präsentiere ich Ihnen im wöchentlichen Wechsel die (kostenlose) Kurzgeschichte der Woche, auch als Pdf-Download.
Im Archiv können Sie dann auch stöbern und "alte" Kurzgeschichten lesen und anhören oder hier kostenlos und werbefrei erhalten >>
Hier die aktuelle Kurzgeschichte der Woche (auch als Download Pdf >>) :
Gestrandet
“GESTRANDET!“. Nicht mehr und nicht weniger blitzt ein Text auf meinem Handy-Bildschirm auf. 'Hmm', denke ich und versuche, die Nummer des Absenders dieser SMS zu eruieren. Doch da steht 'anonyme Nummer'. Also ein Witzbold? Ein Fakeling, wie sich dieser Menschheitsschlag immer mehr global verbreitet.
'Links liegen lassen', warnt mich mein kleiner Finger. Er ist stets bereit, Warnungen auszusprechen. Ist ein unverbesserlicher Pessimist. Sieht überall lauernde Gefahren. Sich anbahnende Katastrophen. Blitz und Hagel. Hat sich, so nehme ich an, mit dem nationalen Wetterdienst verlobt.
Ein ‚schönes Paar‘ geben die beiden ab. Sollte ich meinen kleinen Finger in einen mit Metall gegen Funkempfang abgeschirmten Handschuh stecken, damit er mich nicht weiter erschrecken kann und mir ersparen wird, mich in Affenschnelle auf die Palme zu treiben? Doch wo nur diesen Handschuh, noch besser den Kleinfingerschuh, erwerben? Ich durchforste das Internet. So etwas Ausgefallenes können einzig Riesenmärkte anbieten. China oder United States? Auf allen Handelsplattformen gebe ich das Gewünschte ein. Und tatsächlich wird mein Smartphone in Hundertstelsekunden fündig: KÜCHENFINGESCHUTZ AUS REINEM METALL steht ein- und nicht zweideutig in Grossbuchstaben auf dem kleinen Bildschirm. Doch ich will keinen Fünffingerschutz. Nur Kleinfingerschutz, auf dass der Minifinger endlich Ruhe gibt und mich nicht immer vertratscht. Über mich in meinem Hirn zu klatschen weiss. Mich verrät.
Doch noch immer habe ich keine blasse Ahnung, von wem die ‚GESTRANDET!‘ SMS stammen mag. Was ist bloss das Gegenteil von blass? Intensiv, farbenfroh, bullig? Keine farbenfrohe, bullige Ahnung! Nun lassen wir blass blass sein. Die Erdkugel dreht sich so oder so weiter.
Und wenn die SMS von einem meiner Kinder stammt? Gar von einer mir leiblich nahestehenden Person im ursprünglichsten Sinn des Begriffs? Da müsste ich helfen. Gleich einspringen. Loslegen. Entgegenspurten! Doch wohin? Es wurden keine näheren Angaben übermittelt. Abwarten? Möglicherweise oder beinahe bestimmt folgt weiteres Material, das mir weiterhelfen wird!
Geduld ist gefragt. Leicht gesagt, doch schwer auszuführen nach einer solchen Kurzmitteilung.
'Wohl nicht an mich adressiert. Einzig bei mir 'gestrandet', mischt sich der noch immer ungeschützte, linke kleine Finger jetzt erneut ein. Versucht, sich am übernachbarlichen Zeigefinger gemütlich anzulehnen. Doch wie soll das gelingen? Der Ringfinger stellt sich quer dazwischen, verunmöglicht damit jede Anzüglichkeit.
‚Mit mir ist nicht gut Fingern‘, bemerkt er, der noch Unberingte. Ergänzt dann mit Wut-Timbre im heftigen Ausdruck, keinesfalls im Ausguck: ‚Bin doch kein Vogel, der beringt werden muss, um ihn wo immer zu orten. Und einen 'Vogel' habe ich bestimmt nicht. Auch der kleinste Piepmatz hätte in meiner Fingerkuppe kaum Raum genug, um sich zu entfalten.'
Gestrandet, wer, wo, was, weshalb, warum? Alle Fragen meiner fingerhaften Existenz samt deren Ängsten stürzen auf mich ein. Erbeben mich mit 5,2 Magnituden auf der Jüngsten-Gericht-Skala.
Bin ich nun am Ende in meiner Existenz gestrandet? Am Ende meines Lebens? Diese ER-Kenntnis, die, als sei sie eine Tsunami-Woge, die über mir zusammenbricht, erreicht mein schlafmüdes Haupt. Schwappt mich samt dem kleinen Finger zum Bootsmann hin, dessen Boot, das Menschen wie mich über den Styx zum Hades fährt, durch die Monsterwelle weit hoch geschleudert wird. Bis hin zum Ararat, um mich neben der Arche Noah zum Stillstand zu bringen. Hoffnung und Hoffnungslosigkeit in lockerer Ehe verbinden will. Einer beringten Ehe, die mit verbundenen Fingern in groben Scheiten ohne jedes ‚R‘ in die unbekannte Zukunft führt. Die Vergangenheit weit hinter sich zurücklässt. Alsdann am Ufer des Magma-Meers krachend zu Boden fällt. Gleich von grünen Frühjahrssamen eingenommen, im Nu überwuchert wird. Zum farbenprächtigen Urwald hin, der unmittelbar, ohne jede Zeitmessung mit der Zerruhr der Ewigkeit, die an mir und meinen Fingern zehrt, mich als Fossil in die Tiefe fallen lässt, das der gestrandeten Strandentdeckung künftiger neugieriger äonenferner Forscher harrt …
Und als Bonus ein weiterer DREISATZROMAN aus meiner Feder:
G E S T R A N D E T
Strand und Sand
Wandernd von lieblichen
Wellen bei lebendigem Leib
Samt Sandburgen verschlungen.
So lebt das Leben
Vom Sein und
Vergehen.
Hoch die Wellen dabei
Sich gischtig tanzend an
Dem kurzen Leben liebend laben.