Meine kostenlose Kurzgeschichte der Woche
An dieser Stelle präsentiere ich Ihnen im wöchentlichen Wechsel die (kostenlose) Kurzgeschichte der Woche, auch als Pdf-Download.
Im Archiv können Sie dann auch stöbern und "alte" Kurzgeschichten lesen und anhören.
Hier die aktuelle Kurzgeschichte der Woche (auch als Download Pdf >>) :
Foppen
Gefoppt zu werden war Stefan sich sein gesamtes Leben gewohnt. Als Kind bereits durch
seinen Sprachfehler. Dann in der Schule seiner zwei linken Hände wegen, wie er es sauber
selbst analysierte. Im Handwerksunterricht bekam er keinen echten, sehenswerten
Hobelspan zustande. Nur Holzkeilchen entflogen seinem Hobel. Der Schreinermeister
schüttelte darob nur sein graues Haupt, sodass jeweils bis zu drei graue Haare auf seine
taubenblaue Schreinerschürze fielen. Ja, dann kam die Zeit als Soldat. War das eine
entsetzliche Zeit. Den Gewehrverschluss in Minutenschnelle Auseinandernehmen und
Zusammensetzen gelang Stefan nicht. Stundenlang sass er dann Abends statt mit den
Kameraden in den Ausgang zu gehen im Strafunterricht alleine vor seinem
Gewehrverschluss, eingeschlossen in der militärischen Exerzitien-Zelle, umgeben von Nichts
und Niemandem außer dem verflixten Verschluss und einem entsetzlichen Knäuel von
Gedanken, weshalb er so beschaffen sei, wie er eben sei. Dann die Berufszeit.
Das Eintreffen der väterlichen Prognose, er sei zu nichts weiter gut als schmutziges Geschirr
zu beseitigen. Was ihn dann zu einer Lehre als Geschirrzertrümmerer in einer
Porzellanmanufaktur führte, in der er zu lernen hatte wie fachgerecht Fehlware zu brechen,
auf dass diese der erneuten Neuproduktion korrekt zuzuführen sei. Oft fühlte Stefan sich
dabei wie der Elefant im Porzellanladen, ja, bis die Sternstunde in Stefans Leben trat.
Unmittelbar und überraschend trat. Es herrschte Notstand in den Pflegeberufen wie die von
der allmächtigen Mafia eingesetzte Regierung des Landes Eldorado bekanntgab und durch
ein entsprechendes Dekret unterstrich. Man rekrutiere, zahle Einstellprämien, lobte die
Pflege über Alles. Versprach Erfüllung. Lebenszufriedenheit. Und auf nichts anderes hatte
Stefan bereits sein ganzes unglückliches Leben gewartet. So pilgerte er zum
Rekrutierungsstelle in der als erstes Kaffee mit wahlweise Süssig- oder Salzigkeiten geboten
wurde, bevor das Rekrutierungsgespräch an die Reihe kam. Stefan wurde in ein Kabäuschen
gebeten in dem eine hübsche Mittvierzigerin ihn herzlichst willkommen hiess, ihn bat sich zu
entspannen, denn jetzt und gerade hier werde sie ihm aufzeigen wie er sein Leben in
Zukunft erfolgreich und erfüllend gestalten könne. Unumkehrbar. Für immer sicher. Auf
ewige Zeiten. Ja, wiederholte die Hübsche, auf ewige Zeiten. Nie mehr bedroht. Nie wieder
von seinen beiden linken Händen eingeholt. Nie mehr Gewehrverschlussverschliessen oder
gar Porzellantrümmlichkeiten. Einfach glücklich. Er brauche nur da zu unterzeichnen. Nichts
weiter. Er wisse ja, die Regierung, das Parlament wolle den Pflegenotstand beenden und
pflege deshalb ein. Pflege die Anwärter von Pflegefällen in ihre staatliche Homepage ein,
lasse die Anwärter in glückseligem ewigen Netzleben weiter, ohne jede Nachteile nicht nur
schlummern, nein als Beispiel für ähnliche Fälle Gutes tun. Er solle bedenken wie angenehm
es sei eingepflegt zu werden und das ganz ohne Pfleger, ohne je wieder gefoppt zu werden.
Das große Los sei das. Foppenlos, ergänzte sie mit salzig-süsser Stimme, während Stefan
unterschrieb.