kostenlose Kurzgeschichte der Woche

Meine kostenlose Kurzgeschichte der Woche

An dieser Stelle präsentiere ich Ihnen im wöchentlichen Wechsel die (kostenlose) Kurzgeschichte der Woche, auch als Pdf-Download.

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Hier die aktuelle Kurzgeschichte der Woche (auch als Download Pdf >>) :

Das Paket

Ein grauer Regentag. Die Tropfen fallen im Dreisechzehnteltakt auf meine Regenmütze. Hoffe, dass meine wasserfesten Sneakers das Fluten aushalten werden. Es gäbe sonst keinen wasserquatschenden Gesprächsstoff mehr mit meinen alsdann tropfnassen Socken in der Lieblingsfarbe meiner Gemahlin, der erfreulich sein könnte. Wassertapsen führt zu einer saftigen Erkältung, die einzig mit bitterem Hustensaft zu bekämpfen ist. Ein wahrer Graus, all das zu durchleben. Lieber nicht daran denken. Besser dem eingenässten Ego ein Lächeln schenken. Was ich im Nu und unmittelbar umsetze. Denn was ist anderes von so einem Tag zu erwarten? Besser diesem mit Eigeninitiative zu Leibe rücken. Das geschrumpfte Ich entzücken. Immerhin wird dadurch ein kleines Fetzchen blauen Himmels in meinem Bauchnabel implantiert. Tut so gut, während der Niesel weiterhin ohne Erfolg die Kiesel auf dem Feldweg reinzuwaschen versucht. Diese Steine, deren Jahrmillionen-Geschichte sich der Reinwaschung zu entziehen sucht.

Strebe weiter meinem Ziel entgegen. Den Blick konstant zu Boden gerichtet, um jeder Wasserpfütze auszuweichen. Nicht meine Fussballen dadurch einzuweichen.

Da! In einer Wasserlache, die keineswegs darüber in heiteres Gelächter ausbricht, ein gelber rechteckiger Zettel im A5 Format. Soll ich oder nicht? Möglicherweise eine wichtige Mitteilung. Lebensentscheidend für einen Mitmenschen? Sieht nach Paketankündigung aus. Doch das Handgeschriebene verfliesst in schwarzen Schlieren. Hat der Postbote den Zettel aus seiner grossen Tragtasche verloren? Oder die Praktikantin im Ferienjob, um sich ein neues iPhone zu erwerben? Oder die tatsächliche Besitzerschaft. Weiblein oder Männlein? Wer kann das wissen. Der Postbeamte, die Beamtin? So oder so. Ich muss mich bücken. Bin ein Menschenfreund mit hoher ethischer Einstellung. Helfen! Einem Mitmenschen in der Patsche Hilfe leisten. Ganz ohne beklatscht zu werden! Feucht ist das Ding! Zum Auswringen. Kann ich dann zu Hause tun. Klemme den Fetzen zwischen linken Daumen und Zeigefinger. Der Ringfinger ist zu Höherem geboren. Verweigert so niedrige Arbeiten. Goldverwöhnt! Auch bei mir. Die Gattin wartet daheim bestimmt mit heisser Suppe, die schwuppdiwupp alle Sorgen aus den tiefen Wetter-Sorgenfalten auf meiner Stirn vertreiben wird.

Dem gelben aufgefundenen Zettel vergeht bald die Lust, Pfützen-Tropfen von sich zu geben. Immerhin! Hoffe, dass noch Lesbares auf diesem konserviert ist.

Die Dunkelheit bricht bereits an. Der Winter kommt unzweideutig mit Riesenschritten näher. Das Undreideutige ist mir nicht bekannt. Werde am Laptop suchen, ob über Letzteres bereits Diplom- oder gar Masterarbeiten ohne jede Plagiatsvorwürfe vorhanden sind.

Vor der Wohnungstüre (mit Wasserspur-Hinterlassung meiner Kleidung, die eines Spürhundes wahre Begeisterung auslösen würde), nach Erklimmen der drei Stockwerke ziehe ich meine Regenhaut, die Überschuhe und die Regenmütze aus. Wedle mit allen dreien wild in der Luft, um möglichst nicht von der Gattin als unerwünschter Wasserträger identifiziert zu werden. Dadurch keine Strafpredigt einzufangen. Das alles nicht ohne zuvor den gelben Wisch sicher auf den Fenstersims gelegt zu haben. Sieht schlecht aus, der Zettel. Kaum etwas zu erkennen. Nun, nach dem Suppenschmaus werde ich aufgewärmt, befeuert durch das blaue Himmelimplantat am Bauchnabel, den Föhn zu Hilfe nehmen. Die Leselupe einsetzen. Bestimmt fündig werden.

Das Gericht, eine Kartoffelsuppe, wirkt im Magen. In der Seele. In meinem Inneren scheint dadurch die Sommer-Strand-Sonne. Als wäre der Untergang nicht fern.

Mit eingeschaltetem Föhn in der Hand trockne ich das gelbe Ding. Mit der Lupe kann ich den Empfänger ausmachen. Wohnt in einem anderen Stadtteil. Eine Versuchung kriecht aus der rechten Kniekehle langsam herzwärts. Wäre spannend, den Inhalt der Sendung kennenzulernen! Wer weiss, möglicherweise sehr wertvoll! Oder gar Gold, um meinen Ringfinger zu entzücken. Damit dieser erneut lernt, zuzupacken. Es juckt in allen Gelenken. Mit Legitimation wäre die Neu-Gier zu befriedigen!
Setze meinen Namen auf das trockene Papier unter Vollmacht. Nur noch Unterschrift einsetzen. Niemand kennt die wahre. Schnörkellos. Mit langer Unterschleife. Und fertig ist das Kunststück. Verabschiede mich. „Muss noch auf die Post“, bemerke ich mit vibrierender Schlechtgewissenstimme. Steige vor dem Haus in meinen alten Volkswagen, der mich seit 40 Jahren treu begleitet. Scheibenwischer an. Die gelbe Paketankündigung trocken in meiner Brieftasche, die in der Nähe meines guten Herzens ruht. Gewissensbisse beantworte ich mit lautem Knurren, als sei ich ein Kettenhund. Da, das Postamt! Zum Glück hat dieses einen überdachten Parkplatz. Wäre zwar nicht nötig, denn zwischenzeitlich prangt ein Sternenhimmel mit herrlicher Mondsichel über mir. Steige aus. Erkenne eine Wasserspur, die mein braver VW gelegt haben muss. Doch der Oldtimer selbst ist trocken. Vollkommen. Wie ist das möglich? Schau vorne auf die Kotflügel. Nein, das ist nicht möglich! Meinem Auto ist eine Nase gewachsen. Sie wächst. Das gibt es nicht. Immer weiter. Aus ihr tropft es wie aus einem schlecht geschlossenen Wasserhahn. Und immer länger wird die Nase. Schubst mich jetzt an! Und ein Blitzgedanke fährt wie ein Elektroschock durch meinen gesamten Körper: ‚Pinocchio‘!
Das schlechte Gewissen.
Was wird meine Angetraute zu meiner geplanten bösen Tat sagen?

Steige in meine alte Karre. Fahre in den anderen Stadtteil. Werfe den usurpierten Zettel in den richtigen Briefkasten des Paketempfängers. Fahre wie auf Flügeln erleichtert guten Gewissens nach Hause. Betrachte dabei den Sichelmond. Werfe meinem gierigen Ringfinger einen erbosten Blick zu. Halte am Blumenladen meines Quartiers an. Erwerbe eine rote Rose für meine Gemahlin, der ich die virtuelle erneute Hinführung zur Ehrlichkeit verdanke …


Und als Bonus ein weiterer DREISATZROMAN aus meiner Feder:

P A K T

Ein Pakt geschlossen
Das Paket verschlossen
Mit starkem farbenfrohen Band
Das hinweist auf überflüssig Tandinhalt.

Für was für wen und wann
Der neue Pakete-Pakt
Inhaltsleer dann sehr
Empfänger zwackt.

Die rosarote Schnur darob
Laut schnurrend heftigst lacht.




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"Das Paket" als Tondokument, vorgelesen von François Loeb:







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