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Apotropäisch

"Apotropäisch müssen wir vorgehen", bemerkt der Arzt nach dem er mich gründlich abgehört hat. Ich erschrecke! Was ist denn das für eine neue Behandlungsmöglichkeit? Was fehlt mir? Da ruft mein Hausarzt seine Gehilfin. Bittet mich erneut im überfüllten Wartezimmer Platz zu nehmen. Dort findet ein angeregter Meinungsaustausch über Beschwerden, Krankheiten, Viren, Bakterien, Resistenzen und Allergien statt, die mir die Haare zu Berge steigen lässt. Auch ein Krankheitszeichen? Soll ich das dem Arzt dann melden wenn ich erneut in sein Heiligtum gerufen werde? Frage mich ob ich um mehr zu erfahren das Wort APOTROPÄISCH in die Runde werfen soll. Habe Angst es falsch auszusprechen. Bei Fremdwörtern ist das ja oft der Fall und die richtige Aussprache Glückssache. Tönt Griechisch. Habe diese Sprache nie erlernt, weder modern noch antik. Was soll’s, ich werfe das Wort ein. Beklage mich, dass ich unter Apotropädie leide. „Was ist das?“, wirft eine alte Dame, die zuvor von ihrer Anämie gesprochen hat, deren Krankheitsbild ich auch nicht kenne.

Muss etwas mit Anemonen, nur eben mit einem ä geschrieben zu tun haben, sinniere ich. „Möchte ich auch gern wissen“, werfe ich die Worte wie Tennisbälle in das überfüllte Wartezimmer. Als nächstes wird die alte Dame aufgerufen. Werde den Doktor fragen was Anämie bedeutet. Ist einfacher fremde Leiden zu erkunden als die eigenen. Langsam leert sich der Raum. Ist ja bereits 18.30 h! Auch ein Arzt will einmal seinen Feierabend antreten und berechtigt austreten. Erkundige mich bei der Assistentin weshalb ich so lange zu warten habe. Sie begründet es mit der Komplexität meines Falls. Also, Komplexe hätte ich bestimmt keine, behaupte ich kurzerhand. Sie betrachtet darauf ihre rechte Hand und gibt keine Antwort, gibt mir mit strengen Blicken zu verstehen dass ich mich erneut im Wartezimmer zu setzen habe. Bin jetzt der letzte Patient. Der Hunger beginnt an meinen Gedärmen zu nagen. Überlege ob ich kurz einen Big Mac holen gehen soll.

Doch da tritt ein mit Federschmuck und Trommel bewehrter Patient ein. Ich will ihm meinen Warteplatz nicht abgeben. Wundere mich nur weshalb der Kerl sich so verkleidet hat. Fasnacht ist doch längst vorbei. Also scheint mein Hausarzt wirklich ein Allgemeinpraktiker zu sein und selbst Psychopathen zu behandeln. Wenn der Kerl vor mir aufgerufen wird, werde ich protestieren. Lauthals protestieren. Meine Apotropädie hat meine Stimmbänder noch nicht angegriffen. Da! Die Assistentin in ihrer blütenweissen Schürze, kein Blutspritzer ist darauf, trotz der Abendstunde zu erkennen, bittet mich und den Federträger gemeinsam in den Ordinationsraum. Der Arzt entschuldigt sich als erstes bei mir für die lange Wartezeit, aber es habe einige Mühe und Zeit gekostet den Apotropieexperten zu finden und aufzutreiben. Dieser werde jetzt die Apotropäische Zeremonie durchführen um die bösen Geister aus meinen Hirnwindungen zu vertreiben ...




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